Protokoll der 08. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. I, o.S.

[Datum: Mo, 26.06.1922 - Protokollant: Wilhelm Blume]


I. Baader macht im Namen des Ausschusses die in Aussicht gestellten konkreten Vorschläge für die Übungen am Sportfest. Dieser hält für am geeignetsten: 50m-Brust- und 100m freies Stil-Schwimmen; 100m Lauf; Weitsprung; für die kleineren Ballwerfen, für die größeren statt dessen Kugelstoßen. Rudi Frey hält 100m freien Stil zu schwimmen nach 50m-Brustschwimmen für ausgeschlossen; Ludwig Schmidt möchte Brust- und Rückenschwimmen geschieden wissen. Auf Grotjahns Vorschlag überläßt man die Entscheidung den Nächstbeteiligten, d.h. den 8, die sich zum Wettschwimmen gemeldet haben. Nachdem Dehnes Vorschlag eines Dauerlaufs mit Endspurt abgelehnt war, nahm man über den Dreikampf im wesentlichen Baaders Vorschläge an. Die Frage, wer teilnähme am Dreikampf, wird vom Vorsitzenden so formuliert: Wer nimmt nicht teil? Wernecke muß ausscheiden, da er am Sonntag nicht in Scharfenberg ist.

II. Antrag Blume auf Maßnahmen für den verstärkten Vogelschutz auf der Insel. Begründung: Haben die Eltern in ihrer ersten Versammlung einmütig gegen das Schießen auf der Insel protestiert aus Besorgnis um die Sicherheit ihrer Söhne, müssen wir jetzt uns Beschwerde führend an die Behörden wenden aus Gründen des Naturschutzes; sind doch in der letzten Woche nicht bloß Kirschen stehlende Stare, sondern auch mehrere Kuckucke, Eichelhäher und Rohrdommeln den Kugeln eines fremden Besuchers der Familie Braun zum Opfer gefallen.

R. Wernecke weist darauf hin, daß wohl Herr Braun die Jagd mitgepachtet habe; Herr Wahle meint, wenn das der Fall sein sollte, müßte das eben schleunigst geändert werden, allein schon wegen der Gefährdung von Menschenleben auf der jetzt vielbevölkerten Insel.

Der Antragsteller wird von der Gesamtheit ermächtigt, die geeigneten Schritte zum Schutz unserer befiederten Wohngenossen zu tun.

III. Antrag Stenger, das Wiedergutmachungsprinzip für von Mitgliedern der Gemeinschaft verdorbenen oder verlorenen Besitzgegenständen einzuführen. Der Antragsteller tritt sehr energisch für seinen Vorschlag ein, zu dem ihn das Fährdienstvorkommnis der letzten Woche [Anm. 1] gebracht hat; es sei ein Ding der Unmöglichkeit, für verlorene Dollen etc. die Gesamtkassen in Anspruch zu nehmen. Demgegenüber betont Erich Gawronski, wie schwer es sei, dabei alle Fälle über einen Kamm zu scheren; man könne nur den Antrag zum Anlaß nehmen, nochmals allen die Schonung des gemeinsamen Besitzes ans Herz zu legen. Martin Grotjahn weist das als Halbheit zurück; damit werde doch nichts erreicht. Nachdem Blume verschiedene konkrete Fälle aus der Stolper Schulgemeindeheimpraxis erzählt hat, die die Schwierigkeit der Frage beleuchten, beschließt man gegen 1 Stimme: prinzipiell das Wiedergutmachungsprinzip zu proklamieren für alle Fälle, in denen Schuld, Fahrlässigkeit vorliegt; im Zweifel entscheidet der Ausschuß in gütlicher Verhandlung mit dem Delinquenten, in letzter Instanz die Abendaussprache. Stenger schlägt vor, dem Beschluß rückwirkende Kraft zu geben; Walter Schramm, der vor längerer Zeit beim Rudern eine Dolle verloren hat, kommt mit einem blauen Auge davon, da sich die so weit zurückliegenden Begleitumstände nicht mehr feststellen lassen; Walter Dehne, dessen Fahrlässigkeit auf der Hand und noch frisch in Erinnerung ist, wird mit 13 Stimmen zu Schadensersatzleistung für 2 Dollen verurteilt.

Außerhalb der Tagesordnung stellt Herr Blume im Anschluß an die in der eben abgeschlossenen Diskussion aufgeworfene Frage, ob jemand auch das Beil ersetzen müsse, dem beim Holzhacken für die Küche der Stiel bricht, die Kalamität des Holzhackens zur Debatte; hat doch, wie er warnend vorausgesagt, diese löbliche Tätigkeit sehr abgenommen, seitdem laut Antrag Baader vom 14.VI. die Beile und Äxte unter Verschluß gehalten werden; und es sei ein Unding, diese Tätigkeit auch noch auf Frau Hoffmann abzuschieben; er schlage vor, dem sogenannten kleinen Saaldienst diese Funktion von Amts wegen zu übertragen; genau das Bänkehinausbefördern klappe, seitdem dieses Amt offiziell eingerichtet sei, werde auch nur dann ständig gekleinertes Holz vorhanden sein, wenn im täglichen Wechsel einer damit beauftragt werde. Die Frage wird mit 12 zu 8 Stimmen vertagt.

Fritz Geister bittet, die einzelnen Paragraphen der sogenannten Bullenbauordnung zu erfüllen.


Anmerkungen:

Anm. 1:
Vgl. Protokoll der 07. Abendaussprache vom 23.06.1922.



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